Schlagkräftiger Rotorflügler soll Bodentruppen schützen
Piloten des Kampfhubschraubers Tiger trainieren auf RDE-Simulatoren
Seit kurzem fliegt der Tiger hochoffiziell. Und vom Herbst 2012 an sollen vier dieser Hightech-Kampfhubschrauber deutsche Bodentruppen am Hindukusch schützen. „Profil“-Korrespondent Volker Schubert war unlängst beim Pressetag der Luftbeweglichen Brigade 1 in Fritzlar dabei und konnte den kampfstarken Drehflügler bei seiner Premiere im bodennahen Luftraum beobachten. Wie ein erfolgreicher Lufteinsatz zur Unterstützung in Bedrängnis geratener Infanterie aussehen könnte, verdeutlichte dazu eine exemplarisch gestaltete Lehrvorführung, die im hessischen Truppenanwesen Schwarzenborn stattfand. Doch bevor die zweiköpfigen Besatzungen fliegerisch wie militärisch „Combat Mission Ready“ sind, trainieren die Kampfpiloten zunächst ausgiebig in „Full Mission“-Simulatoren. Deren originalgetreu nachgebauten Cockpits sowie die eigens dafür entwickelte Simulationssoftware, die verblüffend wirklichkeitsnahe Flugwelten für die taktischen Manöver am Himmel generieren, stammen aus einer topversierten IT–Kompetenzschmiede in Bremen: von Rheinmetall Defence Electronics.

Mit den Worten, „Nun hat er seine roten Nummernschilder endgültig verloren“, akzentuierte der Kommandeur des Kampfhubschrauberregiments 36 „Kurhessen“, Oberst Ulrich Werner Ott, das ersehnte Ende des bundesluftfahrtamtlichen Genehmigungsverfahrens. Seit Ende März 2011 darf der waffenstarrende Unterstützungshubschrauber Tiger (UHT) jetzt offiziell im deutschen Luftraum kreisen. Das „Grüne Licht“ des Bundesluftfahrtamts signalisiert dabei auch einen einschnei-denden Wendepunkt: Denn bleibt das derzeitige Beschaffungsvorhaben vor dem Hintergrund der bevorstehenden Bundeswehr-Reform bestehen, soll das Deutsche Heer in den nächsten Jahren insgesamt 80 Tiger-Kampfhubschrauber erhalten. Beim Hubschrauberhersteller Eurocopter im Rahmen einer deutsch-französischen Kooperation produziert, beläuft sich der aktuelle Stückpreis auf knapp 40 MioEUR.
„Sechs von den insgesamt neun Tigern, die beim Kampfhubschrauberregiment 36 stationiert sind, verfügen über die endgültige Luftverkehrszulassung“, so Brigadegeneral Jürgen Setzer, Kommandeur der Luftbeweglichen Brigade 1, mit sichtbarem Stolz in der Stimme. Derzeit verfügt das Heer über dreizehn dieser hochmodernen Maschinen.
Bundeswehrplanungen zufolge sollen vier der fliegenden Waffenarsenale ab Oktober nächsten Jahres im bodennahen Luftraum von Afghanistans Nordregion patrouillieren. Allerdings nur als Einsatzrotte, denn zwei der Tiger dienen als technische Reserve. Militärisch knapp wird der Tiger-Auftrag dort „Aufklärung, Überwachung und Konvoischutz“ lauten. Und im Kampfverbund mit deutscher Infanterie soll der Kampfhubschrauber feinchirurgische Luftschläge erlauben. Im Klartext also feindliche Taliban-Insurgenten durch punktgenaues Feuer zerschlagen, wie es militärfachlich heißt. Denn wegen der baldigen Abzugsperspektive will man am Hindukusch auf jeden Fall zweierlei vermeiden: „zivile Kollateralschäden“ und Ausfälle durch „Friendly Fire“, wie es General Setzer ausdrückte.
Wie ein luftgestützter Kampfeinsatz mit dem Tiger vorzugsweise am nordafghanischen Himmel ablaufen könnte, wurde unlängst exemplarisch am Truppenübungsplatz Schwarzenborn demonstriert. Von links, auf einem parallel verlaufenden Feldweg, eilten mit sehr leisem Motorgeräusch vier Transportpanzer Fuchs heran. Ein kurzer Orientierungshalt folgte, dann gewann die Patrouille wieder Raum. Plötzlich wurde das Marschband zum Halten gebracht, als das Spitzenfahrzeug mit einer groß dimensionierten Explosivladung aus dem Hinterhalt angesprengt wurde. Auch von vorn und aus der Flanke hagelte es feindliches MG-Feuer. Die Lage eskalierte, ein kontrolliertes Ausweichen aus der Umklammerung schien schwer möglich.
Zeit für das „Lehrstück Tiger“, der nun seine Rolle als hochflexibler Luft-nahunterstützer unter Beweis stellen sollte. Rasch forderte die in Bedrängnis geratene Patrouille „Close Combat Support“ an. Nach standardisierter Einweisung durch den „Forward Air Controller“ – das ist ein versierter Fliegerleit-Spezialist, der regelmäßig Patrouillen begleitet – konnten die beiden Tiger die „Taliban-Nester“ flugs aufklären und punktgenaues Feuer zur Wirkung bringen. Im Sekundentakt und mit sprichwörtlich chirurgischer Genauigkeit wurden die Gefahrenquellen durch die beiden Hubschrauber ausgeschaltet. Übungsende.
Die Botschaft des Luftmanövers war eindeutig. Die schnelle Verfügbarkeit am Hindukusch im Visier, wird die Umschulung ehemaliger BO-105-Piloten zu kommenden Tiger-Besatzungen nun einen deutlichen Anschub erleben. Reichlich Ansporn dazu dürften auch die französischen Heeresflieger liefern. Seit August 2009 mit drei französischen Versionen des Tigers (Hélicoptère d‘Appui et Protection – HAP) im Kabuler Luftraum operierend, habe er sich als zuverlässiges und ausdauerndes Fluggerät bewährt, wie französische Hubschrauberbesatzungen bereits mehrfach berichteten. Ein Erfahrungsschatz, der neben der Realflugausbildung vor allem auf das simulatorgestützte Training zurückzuführen ist.
Bereits im Jahr 2000 begann man bei Rheinmetall Defence Electronics – in Kooperation mit Thales Services – mit der Entwicklung der Ausbildungsmittel für den Tiger. Damals wurden zwei „Full Mission“-Simulatoren (FMS), zwei „Cockpit -Procedure -Trainer“ (CPT) und mehrere hundert Stunden „Courseware“ (CAT) für die deutsche und französische Version des Tigers entwickelt und im deutsch-französischen Heeresfliegerausbildungszentrum in Le Luc (Frankreich) in Betrieb genommen.
Von 2005 bis 2010 lief die Serienherstellung von weiteren zehn FMS- und zwölf CPT-Systemen, sagt Diplom-Ingenieur Manfred Fecht, Tiger-Programmleiter bei der Rheinmetall Defence Electronics GmbH in Bremen. Heute sind alle Simulatoren bei den deutschen und französischen Heeresfliegern in der Nutzung.
Eine technischen Besonderheit – etwa im Vergleich zum NH-90-Simulator – sei, so Fecht, dass bei der Konstruktion der Tiger-Simulatoren eine bauliche Eigenart des Tiger-Hubschraubers berücksichtigt werden musste: Bedingt durch die Tandemsitzposition, die beide Piloten in unterschiedlicher Höhe im Tiger platziert, und den daraus resultierenden unterschiedlichen Sichtachsen der Piloten, konnte die bildliche Darstellung der künstlichen Umgebung für beide Insassen nicht in einem Dom realisiert werden. „Da gibt es technisch unüberwindliche Grenzen“, so Fecht. Deshalb wird jeder Tiger-Helikopter durch zwei elektronisch gekoppelte Simulatordome abgebildet, die ein identisches Szenario aus dem jeweils geometrisch richtigen Augenpunkt wiedergeben – entweder den des Piloten oder den des Waffensystemoffiziers.
Die besondere Herausforderung des Programms lag darin, dass der Simulator die Eigenschaften des Tigers realistisch abbilden sollte, obwohl dieser zum Zeitpunkt der Entwicklung und Serienfertigung der Simulatoren noch gar nicht vollständig definiert war. Auch deshalb blickt Informatikexperte Fecht mit besonderem Stolz auf den bisher von seinem Haus realisierten Projektumfang. Denn auf Deutschland und Frankreich verteilt, gibt es mittlerweile 26 Simulatoren, die äußerst rege genutzt werden. In Fritzlar, beim Kampfhubschrauberregiment 36 beispielsweise, stehen zwei „Full Mission“-Simulatoren und zwei Cockpit Procedure Trainer. Gleiches gilt für den zweiten deutschen Kampfhubschrauberstandort in Roth. Im französischen Le Luc hingegen – Standort des deutsch-französischen Heeresfliegerausbildungszentrums für alle Tiger-Piloten – gibt es die gleiche Konstellation gleich in vierfacher Ausführung. Und gleich, ob die Simulatoren in Deutschland oder Frankreich stehen, ein vernetztes Üben im kombinierten Kampfhubschrauberverband ist heute schon möglich.
Für eine effektive Gestaltung des Trainings stehen derzeit Geländedatenbasen für das Einsatzgebiet in Afghanistan und für die Standorte Fritzlar und Le Luc zur Verfügung. Weitere Datenbasen sind in der Entwicklung.
Als weiteres Merkmal kommt hinzu, dass sich die Simulatoren binnen zwei Stunden umkonfigurieren lassen, je nach nationaler Besatzung in die deutsche UHT- oder die französische HAP-Version. So ist es möglich, die Simulatoren für die Ausbildung von deutschen oder französischen Piloten optimal auszunutzen. Zukünftig ist noch eine weitere französische Variante (HAD) geplant.
Im 5. Kampfhubschrauberregiment in Pau stehen zwei weitere Cockpit Procedure Trainer bereit, mit denen die französischen Einsatzkräfte das taktische Helikopterfliegen im afghanischen Luftraum simulieren, bevor es in den Einsatz geht.
Alle 26 Simulatoren werden durch die Kooperation von Rheinmetall und Thales seit ihrer Inbetriebnahme im täglichen Trainingsbetrieb betreut. Wartungsteams vor Ort garantieren eine technische Verfügbarkeit von 95 Prozent und tragen somit zur optimalen Ausbildung der Piloten an allen Standorten bei.
Auch in den nächsten Jahren wird Rheinmetall Defence Electronics im Tiger-Programm aktiv bleiben. „Wie freuen uns insbesondere, dass es uns gelungen ist, im Mai dieses Jahres einen Vertrag für die weitere Wartung aller Simulatoren bis 2015 zu unterzeichnen. Und wir arbeiten daran, sowohl Änderungen des Helikopters als auch neue Anforderungen unserer Kunden in einem Upgrade Programm zu bündeln und in die Simulatoren einzubringen“, so Fecht.
Volker Schubert
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